Trendanalyse 02:

Der lange Abstieg Europas nach 1945

Kurzfassung

 

(1)   Vision und tatsächlicher Weg laufen auseinander

Seit 1945 verfolgten die Europäer die Vision einer europäischen Föderation.

Tatsächlich jedoch wurde Europa in eine ganz andere Richtung gesteuert.
Fast unbemerkt ist das europäische Projekt immer stärker in Global Governance eingebettet worden.

Statt eines Bundesstaates entstand eine große Wirtschafts- und Sicherheitsgemeinschaft (fälschlicherweise auch „Freihandelszone“ genannt).

Statt eines handlungsfähigen und demokratischen Bundes entstand die EU mit 25 Mitgliedsstaaten.
 

(2)   Die EU ist in eine Sackgasse geraten

Diese EU steht am Rande der Handlungsunfähigkeit.

Schlimmer noch, das demokratische Gefüge der EU ist aus den Fugen geraten:

Das Europäische Parlament ist seiner vornehmsten Aufgabe in einer Demokratie, der Gesetzgebung, beraubt.

Eine weitere Hierarchieebene ist in das demokratische Gefüge Europas eingezogen worden. Um diese Ebene sind die Bürgerinnen und Bürger weiter von den Entscheidungen entfernt worden.

Der Kommission wurden in einem Maße parlamentarisch unkontrollierte Kompetenzen zugewiesen, wie dies in demokratisch-rechtsstaatlichen Verhältnissen bisher unbekannt war.
 

(3)  Der Abbau der Demokratie in Europa ist weit fortgeschritten

Die demokratienäheren Nationalstaaten treten immer mehr Regelungsmaterie an die demokratieferne EU ab. Sie wird dort in EU-Recht gegossen und den Nationalstaaten wieder vorgegeben.

60 – 80 % des nationalen Rechts schon ab 1988

Schon 1988 hat der Kommissionspräsident der EG festgestellt, 80 % des Wirtschaftsrechts und etwa 50 % aller deutschen Gesetze seien durch europäisches Recht veranlasst.
(Holger Spreen, Wachsende Zuständigkeiten von Bund und EU; ZRP, Zeitschrift für Rechtpolitik, Nr. 2, 2004).

„In Brüssel wird ein großer Teil der deutschen Innenpolitik entschieden: In vielen Politikfeldern gibt die EU mittlerweile mindestens 60 bis 80 Prozent des deutschen Rechts vor“.
(Friedrich von Heusinger, neuer Leiter der hessischen Vertretung in Brüssel;  FAZ v. 31. Jan. 2006).

In Deutschland gibt es aber nur ein Recht.
Wenn heute 60 – 80 Prozent des nationalen Rechts von der EU und Global Governance vorgegeben werden, dann verbleiben den Abgeordneten in den Parlamenten 40 – 20 % an demokratischem Einfluss.

Der Nettoverlust an Einfluss für die Bürgerinnen und Bürgern hat damit ein dramatisches Niveau erreicht.

Morgen soll die bereits überdehnte EU_25 noch weiter übersteuert werden – die Entgrenzung steht auf der Tagesordnung (EU_40). Dann würde der verbliebene Spielraum an demokratischem Einfluss noch weiter absinken.

Die unterhöhlte Souveränität des Volkes macht die EU besonders anfällig für Einflüsse aus dem nicht demokratischen globalen Überbau.

(4)    Die weltpolitischen Position Europas ist unterminiert

Handlungsunfähigkeit und Demokratieferne haben auch Konsequenzen für die weltpolitische Geltung Europas. Die Unterordnung Europas unter Global Governance unterminiert die operative Basis und damit auch die weltpolitische Rolle Europas. Schwäche im Inneren bedeutet Schwäche nach außen.

(5)   Zu diesem Projekt  haben die Europäer „Non“ gesagt

Die europäische Öffentlichkeit hat diesen Prozess lange nicht wahrgenommen. Schließlich aber erkannten die Bürger wegen des auffälligen Erweiterungstempos, dass dies nicht ihr Europaprojekt ist. Sie sagten: „Nein“.

Franzosen und Holländer haben damit ein Fenster für neue, demokratische  Entwicklungen geöffnet. Ihnen ist zu verdanken, dass es nun überhaupt eine Grundsatzdiskussion darüber gibt, wohin sich Europa entwickeln soll.

Diese Chance muss genutzt werden.

Quelle: MacroAnalyst.de