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Dimension 1:
Soweit ökonomische Analysen der Einwanderung vorgelegt werden, stellen diese
häufig den Einfluss von Einwanderung auf In aller Regel wird die These in den Vordergrund gerückt, dass Einwanderer zum Bruttosozialprodukt beitragen und damit auch - vor allem wenn es sich um junge Einwanderer handelt - die Sozialsysteme, und hier gerade die Rentensysteme, stabilisieren. (A) Eine hollländische Regierungsstudie
Eine
holländische Studie kommt zu einem
ganz anderen Ergebnis. Der SPIEGEL (Nr. 31/2003, S. 88) hat den von
uns als Dimension 1 abgegrenzten Teil verdienstvollerweise zusammengefasst. (I) Zum Aspekt Arbeitsmarkt und Einkommenserzielung:
"Schlecht ausgebildete Einwanderer schadeten der
einheimischen Bevölkerung eher, da sie zu scharfer Konkurrenz auf dem
Arbeitsmarkt werden können. Unternehmer würden zwar kurzfristig von den
niedrigeren Löhnen für die Zuwanderer profitieren, insgesamt führe der
Verdrängungswettbewerb jedoch zu Nachteilen für die angestammte
Bevölkerung". (2) Zum Aspekt der Belastung von Staatshaushalt und Sozialversicherung: "Das Centraal Planbureau bewertet in einer 122-seitige Expertise Einwanderer unter dem Gesichtpunkt von Kosten und Nutzen. Dabei kommt es zu dem Ergebnis, dass ihre Sozialbilanz, anders als bisher angenommen, unterm Strich negativ ausfalle. Ein massenhafter Zuzug von gering qualifizierten Arbeitern bringe eher Nachteile für die Steuer- und Sozialsysteme". "Für den Staatshaushalt würden die Immigranten auch deshalb mehr Last als Gewinn bedeuten, weil sie in den Niederlanden wegen der einkommensunabhängigen Grundrenten nicht so lange am Arbeitsleben teilnehmen müssten wie in anderen EU-Ländern. Ihre Erwerbsbiografie sei in der Regel wesentlich kürzer, außerdem steige die Belastung der Wohlfahrtssysteme, je mehr Zuwanderer von landesüblichen Leistungsmustern abwichen. Die Forscher stellen für verschiedenen Immigrantengruppen in den Niederlanden die mutmaßlichen lebenslangen Steuerzahlungen den geschätzten durchschnittlichen Sozialbezügen während desselben Zeitraums gegenüber - Wohnbeihilfen, Ausbildungszuschüsse, Gesundheitskosten und Erwerbsfähigkeitsrenten." "In EU-Ländern mit hohem Wohlfahrtsniveau entnähmen Migranten während ihres Lebens mehr aus der Staatskasse, als sie einzahlten".
(B) Einwanderung und deutscher Arbeitsmarkt Die ökonomischen Wirkungen einer
ungesteuerten Zuwanderung sind komplex. Wir wollen uns auf die
Auswirkungen für den deutschen Arbeitsmarkt konzentrieren.
(I) Grundlegende Bestimmungsfaktoren des Arbeitsmarktes Die Entwicklungen am Arbeitsmarkt werden von Angebot und Nachfrage bestimmt. (1) Die Nachfrage nach Arbeit
Nachfragefaktor 2: Die Produktivitätsentwicklung. (Die dynamische Dimension der Produktivität werden wir unten bei der Vorausberechnung der Trendverläufe am Arbeitsmarkt berücksichtigen). (2) Als Angebot von Arbeit Die "Stille Reserve" - als Begriff der Vergangenheit - ist
allerdings nicht mehr zeitgemäß.
(II) Welche Trends zeigt der Arbeitsmarkt der letzten 30 Jahre? (1) Fundamentale Trendlinien Wir destillieren nun die fundamentalen Trendlinien für die
Entwicklung des Arbeitsmarkts von 1970 bis 2002 heraus. Wegen des mit der
Wiedervereinigung einhergegangenen Bruchs in den statistischen Reihen
unterteilen wir zunächst in die Zeiträume von
Die Tabelle zeigt drei Trends: (Dass sich dieser Verlust an Arbeitsvolumen nicht parallel in einer Reduktion von Erwerbstätigen niederschlug, lag allein am gleichzeitigen Rückgang der Arbeitszeit pro Beschäftigten. Wurden 1970 noch 1.956 Stunden pro Jahr und Beschäftigten geleistet, waren es 2002 - trotz insgesamt immens angestiegener Wirtschaftsleistung - nur noch 1.443 Std. In die Reduzierung der Arbeitszeit werden dabei auch die Effekte aus der gestiegenen Teilzeit eingerechnet: Wird eine Vollstelle in zwei Halbstellen aufgeteilt, geht die Arbeitszeit pro Kopf zurück. Das IAB hat in Zusammenarbeit mit dem Stat. Bundesamt angekündigt, dass eine neuere Zurückrechnung der Entwicklung veröffentlicht werden soll. MacroAnalyst wird dies – soweit sich Änderungen ergeben sollten – in die hier analysierten Trends einrechnen). >> aktualisierte Grafik mit den Werten für 1970 - 2004
(2) Eine Generation Zuwanderung und die Folgen für den Arbeitsmarkt Obwohl für das ständig steigende Inlandsprodukt wegen der parallel laufenden Effizienzgewinne Jahr für Jahr im Trend gut ein halbes Prozent weniger Arbeitsstunden aufzuwenden waren, fand eine massive Einwanderung statt. Wie hat diese Einwanderung den Arbeitsmarkt verändert? Welcher Beschäftigungsbeitrag wurde durch Zuwanderer geleistet? Zwei Trends seien zur Beantwortung dieser Frage
herausgestellt. Trend 1: Zuwanderung und Bevölkerungsentwicklung Zuwanderung hat die Struktur der Bevölkerung spürbar verändert. Sie begann in den 60er Jahren zunächst in kleinen Zahlen (Ausländeranteil 1961 = 1,2 %), nahm dann aber ab den 70er Jahren deutlich zu.
Die Tabelle zeigt einen anschwellenden
Bestand an Ausländern; Lag der Anteil der Ausländer an der Gesamtbevölkerung 1970 noch bei 4,3 % (= 2,6 Millionen), so machte er 2002 (mit 7,3 Mio.) bereits 8, 9 % aus. Der vorübergehende Abwärtsknick in 1991 war Resultat der großen Zunahme des Nenners durch die Wiedervereinigung (+ 16,6 Mio). Um so bemerkenswerter ist der Wiederanstieg des Ausländeranteils in nur 11 Jahren auf 8,9 %.
Trend 2: Zuwanderung und Arbeitslosigkeit Dieser Zustrom an Zuwanderern traf auf einen Arbeitsmarkt, auf dem Jahr für Jahr alle Nachfrager nach Arbeit (vor allem Unternehmen) 0,6 % der insgesamt zu leistenden Beschäftigungsstunden weniger benötigten. In dieser Größenordnung übertrafen ihre Produktivitätsgewinne das Wirtschaftswachstum. Volkswirtschaftlich gesehen bewirkten die Zuwanderer deswegen nichts anderes als eine weitere Aufstockung der bereits vorhandenen Überkapazität an Arbeit. Die Leistung der türkischen Änderungsschneiderin, des Betreibers eines Döner-Kebab-Imbissstandes, die neue Arbeitsplätze schaffen - und diese auch selbst besetzen - ist hier durchaus als Ausnahme zu würdigen. Aber an diesen großvolumigen Trends hat sie nichts geändert.
Die Statistik belegt auch diese Optionen.
>>Grafik zum sinkenden Beschäftigungsgrad von Ausländern Die Tabelle und die Grafik zeigen, dass mit einem starken Zuwachs an ausländischer Bevölkerung ein nur moderater Zuwachs an ausländischen Beschäftigten einherging. Bezieht man die Beschäftigten - wie üblich - nur auf das korrespondierende Segment der ausländischen arbeitsfähigen Bevölkerung (über 15 Jahre), dann erhält man den Beschäftigungsgrad. Dieser weist also aus, welcher Prozentsatz der insgesamt Zugewanderten überhaupt aktiv Arbeit aufgenommen hat. Der Rückgang ist eklatant: Gingen 1970 noch 83 % der Ausländer einer Beschäftigung nach, so taten dies 2000 nur noch 33 %. Das hat nicht nur mit Arbeitslosigkeit zu tun, aber eben doch auch. Vor allem legt die 5. Spalte einen enormen Strukturwandel offen. Rief man ursprünglich nur Arbeiter, die zum deutschen Sozialprodukt beitragen sollten, und dies suggeriert der Zuwanderungs-Hype noch heute, so kamen schließlich im wachsenden Maße ganze Familien. Inwiefern der Zuwanderer demzufolge noch zur Lösung der sozialen Probleme der Inländer beitragen könnte, vorausgesetzt, der Arbeitsmarkt würde überhaupt dieses zusätzliche Angebot nachfragen, erscheint als offen. Zeigen tut sich in dieser Entwicklung aber klar, dass die Etikettierung, "Deutschland ist kein Einwanderungsland", eine Täuschung war. Deutschland ist seit den 60er Jahren Zuwanderungsland. Dass der Rückgang des Beschäftigungsgrades auch Folge der spezifischen Arbeitslosigkeit der ausländischen Bevölkerung war, zeigt die Statistik ebenfalls. Eine hohe Zahl derjenigen Ausländer, denen es gelang, in den Arbeitsmarkt hinein zu kommen, wurde wieder arbeitslos. Der Anteil der arbeitslosen Ausländer liegt seit Jahrzehnten signifikant oberhalb des Anteils der arbeitslosen Inländer. Zuletzt waren 20,4 % der ausländischen Erwerbspersonen arbeitslos (Mai 03). Das ging weit über die korrespondierende Zahl für die Inländer hinaus (11,5 %) (bezogen ist dieser Anteil auf die abhängigen Erwerbspersonen, da dieser die Kerngröße für die ausländischen Beschäftigten darstellt). Wie die Bundesanstalt für Arbeit ausweist, betrugen die Spitzenwerte gar 41,1 % für Sachsen und 39,2 % für Sachsen-Anhalt + Thüringen. (Besonders zu berücksichtigen ist bei dieser Messung die Definition der ausländischen Arbeitslosigkeit: Als arbeitlose Ausländer gelten nur diejenigen nichtdeutschen Arbeitssuchenden (Ausländer, Staatenlose und Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit), die eine Arbeitnehmertätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland ausüben dürfen (!). Ohne diese rechtliche Beschränkung läge die Stille Reserve in diesem Segment noch höher. Abschließend ist ein erster Blick auf die Altersstruktur
der ausländischen Bevölkerung durchaus von Interesse. Das Image der ersten
Gastarbeitereinwanderer war "jung", "männlich", "zupackend". Tatsächlich
beginnt sich auch die Altersstruktur der Ausländer schon in der ersten
Generation auffällig zu ändern. Die Entwicklung der Altersrelationen seit
1980 zeigen zwei Ergebnisse: >>Grafik zur Alterung der Ausländer
(3) Die Ergebnisse der letzten 30 Jahre Überaus klar ist das Ergebnis der Entwicklung des Arbeitsmarktes in den letzten 30 Jahren, wenn man diese auf der Basis empirischer Fakten durchleuchtet. (o) Schon 1970 waren Überkapazitäten am Arbeitsmarkt vorhanden. Noch war die Arbeitslosigkeit - gemessen am heutigen Niveau - gering, aber sie existierte. (o) Von 1970 bis heute wurden dann technische und organisatorische Leistungen voran getrieben, die die Unternehmen immer effizienter machten. Produktivitätssteigerungen traten ein, die das gleichzeitig nachlassende Wachstum des Inlandsprodukts spürbar übertrafen. Die Folge: Die Nachfrage nach Arbeit schrumpfte - im Trend wurden Jahr für Jahr 0,6 Prozent weniger Beschäftigungsstunden benötigt. (o) Gleichzeitig wurde Deutschland zum Zuwanderungsland. Ausländer wanderten zu Millionen ein. Da sie auf einen ohnehin schrumpfenden Arbeitsmarkt stießen, fanden eine immer größer werdende Zahl von ihnen keine Arbeit. Ihr Beschäftigungsgrad sank, ihre Arbeitslosenquote stieg. Auch die Ausländerbevölkerung unterlief einem Alterungsprozess. In der Konkurrenz um die ständig weniger werdenden Arbeitsplätze wurden auch Inländer verdrängt. Die Arbeitslosigkeit schwoll beträchtlich an. Eine noch größere Katastrophe blieb nur deshalb aus, weil parallel zum sinkenden Arbeitsvolumen die Arbeitszeit in großem Ausmaß zurückging. (o) Am Ende dieses Zeitraumes sind wir nunmehr mit stark angestiegenen Überkapazitäten konfrontiert. Überkapazität: Die Hohe Arbeitslosigkeit Dass diese "Stille Reserve" vorsichtig geschätzt ist, erhärtet ein kurzer Blick auf das Maß an Erwerbstätigkeit in anderen bedeutenden Volkwirtschaften. Die USA weisen seit langem eine höhere Erwerbstätigkeit auf. Die Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung liegt um fast 10 Prozentpunkte höher als in Deutschland. (Erwerbsquote, gemessen als Anteil der Erwerbspersonen an der Bevölkerung über 15 Jahre, = 67,2 gegen 57,5 % in D). Die nachstehende Tabelle fasst die schon vorhandenen erheblichen Überkapazitäten an Arbeitskräften in Deutschland zusammen.
(III) Vorausberechnung des Arbeitsmarkts nächste 50 Jahre (1) Das Modell und die Annahmen Haben die in Deutschland heute bereits vorhandenen Beschäftigungsreserven nun einen Höhepunkt erreicht, weil die demographischen Faktoren das Schrumpfen der Bevölkerung vorhersehen lassen? Wird dieser Bevölkerungsrückgang zwangsläufig den Rückgang des Potentials nach sich ziehen, das Arbeitskraft am Arbeitsmarkt anbietet? Ist Deutschland deshalb auf den Import von Arbeitskräften angewiesen, um diese sich abzeichnende Lücke zu schließen? Diese Fragen sollen in diesem Abschnitt beantwortet
werden. Dazu gilt es, die Entwicklung dieses Marktes langfristig voraus zu
berechnen. Dies ist ungleich schwieriger als die Vorausberechnung der
Bevölkerung, da wir es hierbei mit volatileren und wesentlich komplexeren
Entwicklungsverläufen zu tun haben. Entscheidend ist die Plausibilität dieser Annahmen. Wir
gliedern deshalb diese Vorausberechnung in zwei Schritte:
(2) Die Trendverläufe bei der Nachfrage nach Arbeit Auf der Basis der Trendverläufe von 1991 bis 2002 errechnet sich die folgende Entwicklung der Nachfrageblöcke für 2002 - 2050:
(o) Für das reale Inlandsprodukt erscheint die Steigerungsrate von 1970 - 90 (mit 2,5 % p.a.) für die Zukunft als zu hoch. Strukturell sind die Wachstumsraten des Inlandsprodukts seit 1950 gesunken. Mit jedem weiteren Wachstum wird ein höheres Ausgangsniveau erreicht und folglich zusätzliches Wachstum noch schwieriger. Deswegen ist eine jährliche Wachstumsrate von 1,3 % plausibler. Das Inlandsprodukt wächst dann immerhin noch von 1.984 Mrd. € auf 3.689 Mrd. € . Der Index steigt von 100 auf 186, damit liegt dieses Sozialprodukt satte 86 % höher als heute.
(o) Für die Produktivitätsentwicklung setzen wir ebenfalls nicht die höheren Steigerungsraten von 1970 - 90 (mit 3,1 %) an. Wir legen vielmehr nur 1,9 % zugrunde. Die Produktivität wächst selbst dann von 35,5 € je Erwerbstätigenstunde auf 87,6 €/Std. Der Index steigt von 100 auf 247, damit liegt das Produktivitätsniveau 147 % höher als heute. Eine wichtige Differenzierung soll in diesem Zusammenhang angesprochen werden. Die Produktivität gehört zu den Schlüsselgrößen für jegliche Art der Arbeitsmarktvorausberechnung. Ihre Bedeutung wird hierzulande oft vernachlässigt, weil offensichtlich unterschätzt (so zuletzt die Rürup-Kommission). Das fängt an bei der Sichtweise dieses Phänomens: Diese Anstrengung nun trägt einen arbeitsmarktpolitischen
Januskopf: Wir haben uns für eine vorsichtige Einschätzung des künftigen Produktivitätswachstums entschieden, weil Überdramatisierungen überflüssig sind. Die Aussichten sind ohnehin - wie die Vorausberechnungen gleich zeigen werden - dramatisch genug. Eine höhere Veranschlagung der Produktivitätsraten in der Zukunft wäre aber durchaus gerechtfertigt. Die großen Produktivitätssteigerungen in der Industrie halten nun schon über zwei Jahrzehnte an, sind aber noch keineswegs ausgelaufen. Hinzu kommt jetzt der Bau der digitalen Ökonomie, "die weit effizienter und produktiver ist als heute" (Irving Wladawsky-Berger, IBM). Vor allem wird die Digitalisierung und Vernetzung den gesamten Dienstleistungssektor umbauen, der in der Vergangenheit eher verschont blieb, heute jedoch das größte Gewicht am Arbeitsmarkt hat.
(o) Im Falle des Arbeitsvolumens fällt
die Bestimmung des Trendfaktors leichter. Obwohl beim Wachstum des
Inlandsprodukts als auch bei dem der Produktivität Niveauverschiebungen
stattgefunden haben, hat sich Ausmaß und Richtung dieser Verschiebung in die
gleiche Richtung entwickelt. Über 20 Jahre hinweg ist der Trendwert der
Produktivität im früheren Bundesgebiet jedes Jahr um gut ein halbes Prozent
stärker gestiegen als das Inlandsprodukt. Die Folge dieses
Produktivitätsüberschusses: Jedes Jahr fielen 0,6 % der volkswirtschaftlich
zu leistenden Beschäftigungsstunden weg. Dieser Trend hat sich in Gesamt-Deutschland in den neunziger Jahre fortgesetzt: Der Produktivitäts-Überschuss blieb mit 0,6 % unverändert. Die Tragweite dieses Befundes zeigt sich nun unverhüllt: Der Wegfall von 0,6 % der Beschäftigungsstunden Jahr für Jahr verringert das Arbeitsvolumen von 55,9 Mrd. Std. auf 41,9 Mrd. Std. pro Jahr. Der Index sinkt von heute 100 auf 74,9 in 2050. Damit fällt in diesem Zeitraum ein Gesamtvolumen von 25,1 % aller Arbeitsstunden fort. >>Grafik zum Verlauf der Nachfrageblöcke über gesamte Zeit hinweg
(o) Für die sich daraus ergebende Nachfrage nach Erwerbstätigen ist zuletzt eine Annahme über die Entwicklung der Arbeitszeit pro Kopf zu machen. Wir unterstellen eine Veränderung von Null, da diese Größe stark politisch beeinflusst ist (Tarifparteien und Gesetzgeber) und sich deshalb jeder Art der Langfrist-Prognostizierung entzieht. In diesem Fall entwickelt sich die Anzahl der Erwerbstätigen parallel zum Arbeitsvolumen. Der Index sinkt ebenfalls auf 74,9, es werden - trotz steigenden Sozialprodukts - insgesamt 25,1 % Erwerbstätige weniger benötigt (job-loss growth). Wurden 2002 noch 38,7 Millionen Erwerbstätige beschäftigt, so werden es 2050 somit nur noch 29 Millionen sein - ein Wegfall von weiteren 9,7 Millionen Beschäftigten. (Und dies ungeachtet der im Ausgangsjahr bereits vorhanden Überkapazität von 6,6 Millionen.)
(3) Die Trendverläufe beim Angebot von Arbeit Ein ganz allgemeiner Einstieg in die Berechnung des Angebots an Arbeitskräften wäre die Bevölkerungsgröße. Im ersten Schritt werden üblicherweise die Kinder und die Älteren ab 65 Jahren herausgerechnet, um die Personen im Erwerbsalter zu erhalten. Weitere Differenzierungen im Arbeitsmarktzusammenhang sind dann vor allem die Arbeitslosen und die stille Reserve. Von besonderem Interesse, jedoch schwierig bis unmöglich zu realisieren, wäre eine Vorausberechnung dieser letztgenannten beiden Größen. Schon deshalb haben wir uns dazu entschlossen, stattdessen die Kennziffer des "Beschäftigungsgrades" zu benutzen. Es gibt jedoch noch einen weiteren, wichtigeren Grund. Den Beschäftigungsgrad grenzen wir ab als Erwerbstätige im Verhältnis zur Bevölkerung. Damit erhalten wir eine Kennziffer für den Anteil der Bevölkerung, der produktiv tätig ist. Dass die Erwerbstätigen für ihre Arbeit den vorhandenen Kapitalstock (Fabriken, Fließbänder, Computer) zu Hilfe nehmen, ist selbstverständlich. Aus dieser produktiv tätigen Erwerbsarbeit werden aber nicht nur Arbeitslose und die Stille Reserve finanziert. Es werden auch Sozialhilfeempfänger, beschäftigungslose Zuwanderer, Kranke, Kinder, Alte, Rentiers finanziert. Ganz allgemein: Es werden alle Nichtbeschäftigten aus Arbeit getragen - auch Zinserlöse werden aus dem Sozialprodukt gezahlt. Zu diesem Zusammenhang die folgende >>Grafik, die diese Last anschaulich verdeutlicht; (die BA hat dieser Grafik allerdings nur die Sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten zugrunde gelegt; wir berechnen diese Zusammenhänge auf der Basis aller Erwerbstätigen, weil auch andere als Sozialversicherungspflichtige das Sozialprodukt erwirtschaften). Die Bevölkerung wird regelmäßig vom Statistischen Bundesamt vorausberechnet. Die 10. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung ist im Juni 2003 erschienen. Der speziell interessierte Leser möge sich dort mit den Annahmen näher vertraut machen (Entwicklung der Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung usw.). Für unser Erkenntnisziel stehen die Annahmen über die Entwicklung der Außenwanderungen (= Ein- und Auswanderung) im Vordergrund des Interesses. Das Statistische Bundesamt hierzu: "Für die künftige Bevölkerungszahl und die Altersstruktur ist dabei der Wanderungssaldo, d.h. die Differenz Zwischen Zu- und Fortzügen, ausschlaggebend. ... Der Saldo hängt auf der einen Seite vom Migrationspotenzial in Folge politischer, wirtschaftlicher, demographischer oder auch der ökologischen Entwicklungen in den Herkunftsländern ab. Auf der anderen Seite wird er von der Migrationpolitik in Deutschland, der Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt sowie von der wirtschaftlichen und sozialen Attraktivität Deutschlands als Zielland beeinflusst". Auch die Ökologie wird als Grund benannt. Der Wanderungssaldo setzt sich aus Deutschen (deutschstämmigen) und Nichtdeutschen zusammen; Vorrangig sind dabei die Wanderungen nichtdeutscher Personen. Bei allen Annahmen wird deswegen ein schrittweiser Abbau der Wanderungsüberschüsse von Deutschen auf ein Nullniveau angenommen.
Beachte: Dieser Wanderungssaldo ist ein Nettoergebnis.
Dahinter verbergen sich außerordentlich hohe Ströme. Um die Auswirkung dieser Bevölkerungsvorausberechnung auf
unsere Arbeitsmarktvorausberechnung deutlich zu machen, können wir uns auf
drei von neun durchgerechneten Varianten stützen:
Die Höchste Bevölkerung ergibt sich aus einem
Einwanderungssaldo von netto 300.000 Personen im Jahr. Die Mittlere Bevölkerung ergibt sich aus einem Einwanderungssaldo von netto 200.000 Personen im Jahr. Die Bevölkerung geht somit auf 75,1 Mio zurück, d.h. um 9 %. Die Niedrigste Bevölkerung ergibt sich aus einem Einwanderungssaldo von netto 100.000 Personen im Jahr. Die Bevölkerung geht damit auf 67 Mio zurück, d.h. um 18,8 %.
(4) Das Ergebnis: Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt bis 2050 Im Abschnitt "Nachfrage nach Arbeit" hatten wir bereits gesehen, dass in den nächsten 50 Jahren immer weniger Erwerbstätige benötigt werden. Konfrontiert man diesen Trendverlauf bei den Erwerbstätigen mit den Trendverläufen der drei Bevölkerungs-Varianten, so gelangt man zu den vorauszuberechnenden Entwicklungen am Arbeitsmarkt. (o) Diese Gegenüberstellung deckt nun Ergebnisse auf, die nur als dramatisch zu bezeichnen sind. Aus der isolierten Analyse von Einzelsegmenten künftiger demografischer Verläufe (z.B. Rentenproblematik) wird immer wieder das Ergebnis der Verknappung des Arbeitsmarktes beschworen. Unsere Analyse ergibt, dass das Gegenteil der Fall ist. >>Grafik zu den absoluten Verläufen von Bevölkerung und Erwerbstätigen Diese Grafik zeigt, dass parallel zum Rückgang der Erwerbstätigen alle Bevölkerungsvarianten ebenfalls einen Rückgang aufweisen. Das wirkt - für sich genommen - als Entlastung am Arbeitsmarkt. Es kommt nun aber auf die Geschwindigkeit an, mit der diese Kurven sinken, um beurteilen zu können, wie sich der Arbeitsmarkt per Saldo tatsächlich entwickelt. Dies zeigt die Grafik mit den relativen Verläufen dieser Kurven. >>Grafik zu den relativen Verläufen von Bevölkerung und Erwerbstätigen Die Grafik zeigt übersichtlich, dass die Erwerbstätigenkurve schneller sinkt als alle drei Bevölkerungsvarianten. Dies bedeutet, dass der Beschäftigungsgrad in allen drei Vorausberechnungen sinkt. Anders ausgedrückt, bei jeder Wanderungsannahme des Statistischen Bundesamtes kommt es zu einer Verschärfung der heutigen Arbeitsmarksituation. In der Realität des Jahres 2002 liegt nun der Beschäftigungsgrad mit 46,9 % bereits unterhalb der 50-%-Marke. D. h. der Kehrwert, nämlich der Nicht-Beschäftigungsgrad macht heute bereits mehr als die Hälfte aus; in absoluten Zahlen: 38,7 Mio. Erwerbstätige tragen eine Gesamtbevölkerung von 82,5 Mio. Da es in dieser Analyse um die Einwanderungsfrage geht, also um das Problem, ob in ausreichender Zahl Beschäftigte zur Verfügung stehen, nichterwerbstätige Personengruppierungen zu finanzieren, sollen hier nur die Nicht-Beschäftigungs-Grade präsentiert werden. Diese zeigen also den Anteil, den die Nicht-Beschäftigten an der Bevölkerung ausmachen, m.a.W. die wirtschaftliche Last, die die Erwerbstätigen zu schultern haben.
Wegen des überproportionalen Rückgangs der Erwerbstätigen
steigt dieser Grad in allen drei Varianten bis 2050 an: >>Grafik zum Nicht-Beschäftigungsgrad (o) Die von den Erwerbstätigen zu schulternde
wirtschaftliche Gesamtlast lässt sich auch anders ausdrücken: Im Jahre 2002
mussten 38,7 Mio. Erwerbstätige die Finanzierung der Gesamtbevölkerung, also
82,5 Mio., sicherstellen. 100 Erwerbstätige hatten also 213 Personen zu
tragen. >>Grafik zur Nichtbeschäftigten-Last Die Lasten-Grafik der BA hat das plastisch verdeutlicht: Der gelbe Kern schrumpft schneller als der blaue Mantel. Das Verhältnis von blauer zu gelber Fläche vergrößert sich durch Einwanderung drastisch. Die Vorausberechnung von Angebot und Nachfrage ergibt, dass die Einwanderung - eigentlich zur wirtschaftlichen Entlastung gedacht - selbst zur wirtschaftlichen Last wird. Vorausberechnet kann allerdings nicht werden, wieviele der Einwanderer/Inländer dann in der Rubrik "Erwerbstätige" und wieviele in der Rubrik "Nicht-Beschäftigte" geführt werden müssen. Die Einzelnen in der Gesamtlast haben keine Nationalität per se. Die Vergangenheit jedoch hat bereits schlechte Erfahrungen gezeitigt.
(5) Erste zusätzliche Komplikation: Die Qualifikationslücke Der deutsche Arbeitsmarkt hat jedoch nicht nur das Problem, Einwanderung quantitativ zu absorbieren. Auch qualitativ liegen die Barrieren hoch. Deutschland ist ein Land ohne nennenswerte Rohstoffe. Der Wohlstand wird dadurch generiert, dass es diese Ressourcen importiert, hier durch hoch- und höchstqualifizierte Arbeitskräfte zu Produkten verarbeitet, die sich am Weltmarkt absetzen lassen. Bisher hat dieser Prozess hervorragend funktioniert, wie die >>Grafik Exportüberschüsse belegt. Die Erfolgskette jedoch ist bedroht. Unglücklicherweise erweist sich auch im qualitativen Zusammenhang die Einwanderung nicht als Ent-, sondern als Belastungsfaktor. Der neueste Forschungsstand unterstreicht dies deutlich (vgl. Alexander Reinberg und Markus Hummel: Steuert Deutschland langfristig auf einen Fachkräftemangel zu? Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit; IAB-Kurzbericht, Nr. 9 Juli 2003 - Volltext abrufbar unter www.iab.de). Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen sich bezüglich des Ausschnitts Einwanderung so zusammenfassen: 1. Das Humankapital gewinnt am deutschen Hochtechnologie- und Hochlohnstandort zunehmend an Bedeutung. Im internationalen Vergleich haben wir noch recht gute Karten, befinden uns aber auf dem besten Weg, diesen entscheidenden Wettbewerbsvorteil auf das Spiel zu setzen. 2. Der grundlegende Trend am Arbeitsmarkt: Die Nachfrage des Arbeitsmarktes für Qualifizierte wächst, für Gering- oder gar Unqualifizierte wird sie immer geringer. Alle aktuellen Bedarfsprojektionen sind sich darüber einig, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. 3. Gegenläufig dazu müssen wir nun jedoch registrieren, dass seit Beginn der 90er Jahre die Bildungsexpansion in weiten Teilen zur Bildungsstagnation mutierte. Dafür gibt es eine Reihe allgemeiner Einflüsse, die mit dem Thema Einwanderung nichts zu tun haben. Für unseren Ausschnitt jedoch bedeutsam: Seither besitzt ein Drittel der in Westdeutschland lebenden Bevölkerung (im erwerbsfähigen Alter 15 - 65) keinen Berufsabschluss mehr. 4. Eine maßgebliche Ursache dafür sind die "Zuwanderungswellen der jüngeren Vergangenheit". Konstatiert wird "eine relativ schlechte Qualifikationsstruktur der bereits in Deutschland lebenden erwachsenen Einwanderer, ein unbefriedigendes Ausbildungsniveau ihrer Kinder - selbst dann, wenn sie bereits in Deutschland geboren sind". Das führt dazu, dass "der Ungelerntenanteil bei Ausländern extrem hoch ist". Das IAB gibt dazu an, Deutsche stellten 3/4 der Bevölkerung ohne Berufsabschluss; Zuwanderer stellten also 1/4. Dies wiederum bedeutet: Ausländer im erwerbsfähigen Alter stellen zwar nur 10,1 % der erwerbsfähigen Bevölkerung (2001), aber 25 % der Bevölkerung ohne Berufsabschluss. Das IAB untermauert damit, dass sich Zuwanderung wesentlich aus einem Qualifikationspotential rekrutiert, das für den Exportstandort Deutschland nicht benötigt wird. Es bindet jedoch erhebliche Investitionsmittel im Bildungssektor, die für wirtschaftlich unabdingbare Qualifizierungsinvestitionen dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Optimierung des volkswirtschaftlichen Bildungsbudgets gerät mehr und mehr aus dem Blick. Diese Integrationslast wiegt schwer für die Entfaltung künftiger Qualifikation, Innovation und Produktivität.
(6) Zweite zusätzliche Komplikation: Die Verlängerung der Arbeitszeit Man sollte denken, dass alle politische Kraft zunächst darauf konzentriert würde, die schon vorhandenen überschüssigen Arbeitsreserven im eigenen Land zu nutzen, bevor man darüber nachdenkt, wieviel Einwanderung gebraucht wird. Jeder Unternehmer nutzt zuerst die bereits vorhandenen Kapazitäten, bevor er in deren Aufstockung investiert. Das gleiche gilt für die derzeit mit Heftigkeit entbrannte Debatte über Arbeitszeitverlängerungen. Die Arbeitsmarktanalyse hat gezeigt, mit welcher Geschwindigkeit die Beschäftigungsstunden in der Vergangenheit abgebaut wurden - und in der Zukunft abgebaut werden. Eine Verlängerung der Arbeitszeit führt zur zusätzlichen Ausweitung des Arbeitsstundenangebots, für das schon heute keine Nachfrage vorhanden ist. Und es geht dabei um beträchtliche Größenordnungen: Eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit von 35 Std.-Woche
auf wieder 40 Stunden erhöht das Arbeitsvolumen der Betroffenen um 14,3 %. Auf demographischer Basis werden bei dieser Diskussion Schlussfolgerungen gezogen, ohne die ökonomische Unterfütterung der Demographie zu prüfen. Demographie ist aber nicht gleich Ökonomie. Zwiespältig ist deshalb die Kernforderung der Rürup-Kommission nach dem Renteneintrittsalter mit 67 Jahren (inzwischen unterstützt von der Herzog-Kommission). Aus dem Einzelsystem "Rentenproblematik" heraus mag dies eine sinnvolle Forderung sein. Aus dem Gesamtsystem heraus beurteilt ist sie es nicht, auch nicht im Jahre 2011. Bis 2050 ist sie vielmehr für den gesamten Arbeitsmarkt kontraproduktiv. Für das Rentensystem mag dies eine Lösung sein; Kommissionen, die die Nachhaltigkeit anderer Subsysteme werden prüfen müssen, werden dafür auf einen zusätzlichen Problemschub stoßen.
(Dieser Abschnitt ist kein abschließender Beitrag zur derzeit geführten Debatte einer generellen Verlängerung der Arbeitszeit. Dazu müssten wir einen eigenen, differenzierenden Beitrag erarbeiten).
(IV) Zwischenfazit: Der deutsche Arbeitsmarkt wird in den nächsten Jahrzehnten in schweres Fahrwasser geraten. Jahr für Jahr benötigt die Volkswirtschaft weniger Beschäftigungsstunden. Die Zahl der nachgefragten Erwerbstätigen wird deswegen schneller sinken, als die Bevölkerung dies tun wird. Wird in dieser Situation zusätzlich auf Einwanderung
gesetzt, muss sich die Lage am Arbeitsmarkt weiter verschärfen. Der deutsche Arbeitsmarkt hat jedoch nicht nur das Problem, Zuwanderung quantitativ zu absorbieren. Auch qualitativ liegen die Barrieren hoch. Zuwanderung rekrutiert sich wesentlich aus einem Qualifikationspotential, das für den Exportstandort Deutschland nicht benötigt wird. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, benötigt der Standort immer höhere Qualifikation. Auf diesem Gebiet herrscht scharfe internationale Konkurrenz. Über Zuwanderung wird jedoch überwiegend Niedrigqualifikation bereitgestellt. Den Bedarf an diesem Segment kann der Binnenmarkt aber mühelos selbst decken. Die jetzt vielfach ins Spiel gebrachte Verlängerung der Arbeitszeit würde zu einer zusätzlichen Ausweitung des Arbeitsangebots, für das schon heute keine Nachfrage vorhanden ist, führen. Das Gesamtergebnis aus dem Teil "Einwanderung und
Arbeitsmarkt" könnte so formuliert werden: Eine volkswirtschaftlichen Konsequenz dieser Strategie hat Milton Friedman, der neoliberale Nobelpreisträger, auf den Punkt gebracht: "You cannot simultaneously have free immigration and a welfare state". Die folgenschwerere Konsequenz sind die genannten Folgen für die Produktivitätsentfaltung und damit für die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft. |